Ein langes Kapitel, aber es war ja auch viel Arbeit:
Heute wird aus einem eben noch quiekenden Schwein ruckzuck Fleisch und Wurst. Früher wurde in der kühlen Jahreszeit von November bis März/April das Schlachtfest gefeiert, da man weder Gefriertruhen noch Kühlhäuser hatte. Drei oder vier Familien taten sich zusammen, um gemeinsam einen Bullen, Ochsen, ein Rind oder eine Kuh zu schlachten. Schweine hatte eigentlich jeder, auch die Nichtbauern, und jede Familie verzehrte im Jahr ein bis zwei fette Schweine. So war es jedenfalls noch in den 1950er- und 1960er-Jahren.
Zu dem vereinbarten Tag bestellte man den Hausschlachter; oftmals waren das Handwerker, die in den Wintermonaten keine Arbeit hatten, z. B. Maurer.Unser Bild zeigt August Wehrmann in den 1920er Jahren vor dem Hof Nr. 24/25.
Am Tag vorher wurden die Hackebretter, Schlachttröge und Schlachtetische zusammengeholt und Feuerholz zum Kessel gefahren. Die Frauen kauften „bei Smets“ (ehemals Lebensmittelgeschäft Bormann) kiloweise loses Salz und Pfeffer, Bindfäden und Gewürze wie Kümmel, Majoran und Thymian sowie die nötigen Flaschen Korn ein. Am Morgen des Schlachttages wurde der Kessel schon ganz früh angeheizt, denn zum Schlachten wurden Unmengen heißes Wasser benötigt.
Das Töten der Tiere ließe heute so manchem Beobachter die Haare zu Berge stehen. Um ein Schwein zu schlachten, bediente man sich eines Rohres, in dem sich ein Bolzen befand. Nachdem das Rohr auf den Kopf des Tieres gehalten wurde, gab man mit einem Hammer einen festen Schlag auf den Bolzen. Das Schwein war dadurch betäubt, so dass es dann abgestochen werden konnte. Das ganze Schwein kam anschließend in einen Holztrog, in dem es mit heißem Wasser übergossen wurde, damit die Borsten besser abgingen. Sofern dabei nicht alle Borsten ausfielen, erfolgte ein zweiter Waschvorgang auf einem Tisch. Dann wurde das inzwischen nackte Borstenvieh an den Hinterbeinen an einem Haken (Krummstock) aufgehängt, später aufgetrennt, gesäubert, mit Salzwasser ausgewaschen und zerteilt.
Das Fleisch, das zu Wurst verarbeitet werden sollte, wurde auf einem Hackbrett zerkleinert, gewürzt und geknetet und anschließend mittels eines speziellen Bügels mit der Hand in Därme gedrückt. Die erforderlichen Därme entnahm man dem getöteten Tier, wusch und spülte sie etliche Male und krempelte sie um.
Rinder wurden zuerst mit der stumpfen Axtseite vor den Kopf geschlagen und danach abgestochen. Man hängte sie später auf, trennte den Kopf ab und enthäutete sie. Danach wurde das Tier in vier Teile geteilt. Um das Fleisch zu konservieren, pökelte und salzte man es ein und lagerte es in einem kühlen Raum.
Fleisch, das sich nicht zum Pökeln, Räuchern oder Trocknen eignete, wurde in Gläser oder Dosen eingekocht. Nur soviel Wurst, wie man in der kühlen Jahreszeit essen konnte, kam in Därme; alles weitere in Dosen oder auch Gläser. Folgende Wurstsorten wurden hergestellt: Knapp-, Rot- und Leberwurst, gekochtes Mett mit oder ohne Schnauze, Bregenwurst, Rinder- und Beutelwurst. Für Mettwurst, schon damals eine begehrte Brotauflage, nahm man nur das beste Fleisch vom Schwein.
Nicht jedes Mal war das Ergebnis zufrieden stellend, denn hatte der Aufbewahrungsort nicht die nötige Temperatur, Feuchtigkeit und Luftzufuhr, bildeten sich hohle Stellen im Darm und Schimmel. Am besten gedieh die Mettwurst auf Dielen mit Lehmwänden, -decken und -fußböden.
[1] Quelle: Mündliche Erzählungen.
Die Sülzemasse kam in die am Herd getrocknete Schweineblase (Piepwost) und den Dickdarm (Rotwurst). Die Blase sah getrocknet aus wie ein dicker Luftballon. Wenn das Schwein abgestochen wurde, fing man das Blut für die Rotwurst in großen Schalen auf. Die Frauen hatten die Aufgabe, es schnell zu rühren. Geschah das nicht unmittelbar und kräftig genug, gerann das Blut und man konnte keine Rot- und Beutelwurst herstellen.
Für die Kinder in der Nachbarschaft wurden aus Knappwurstmasse in kleinen Därmen „lüttsche Wöste“ hergestellt. Vor der Wurstherstellung musste das dafür benötigte Fleisch im Kessel gar gekocht werden, das Kochwasser ergab die Brühe. Alle Nachbarn bekamen davon eine ordentliche Kanne voll ab. Die Kinder erhielten für das Brüheverteilen einen „Stremel Botterkauken“, einen Apfel, Nüsse oder Kandis (= Zuckerkannje). Der Schlachter und seine Helfer mussten zwischendurch die angerührten Wurstmassen probieren; die Gewürze wie Salz, Pfeffer, Majoran und Thymian wurden Händeweise dazugegeben. Man kann sich sicherlich lebhaft vorstellen, dass das eine scharfe und vor allem fettige Angelegenheit war. Um Bauchweh zu vermeiden und den Geschmackssinn zu erhalten, trank man zwischendurch viel klaren Korn. Im Laufe des Tages wurde die Gesellschaft dann recht lustig!
Die Schinken, das Bauchfleisch, die Eisbeine, die Pfötchen, der Schwanz und die Speckseiten kamen in eine Salzlake und mussten in den folgenden Wochen immer mal mit der Lake übergossen werden. Die Schinken und die Speckseiten wurden im Frühjahr zum Trocknen in die Bäume gehängt und nach einigen Tagen geräuchert. Mit einem Pökelsalz eingerieben und in einen Tüllbeutel gesteckt, musste der Schinken an einem kühlen, luftigen Ort hängen, bis der Kuckuck rief, denn vorher durfte er nicht angeschnitten werden, weil er ja bis zum Jahresende reichen sollte. Fast jeder hatte seine eigene Räucherkammer oder einen Räucherschrank, in dem die Würste und der Schinken goldgelb geräuchert wurden.
Mit den Wurstdosen fuhren die Frauen und Kinder zu „Smets“. August Bormann hatte eine Maschine, mit der die Blechdosen mit einem Deckel verschlossen wurden. Auf den Deckel schrieb man die Wurstsorte und das Jahr. Wieder zu Hause, kamen die Dosen in den mit Wasser gefüllten Kessel und mussten je nach Dosengröße entsprechend lange kochen. Die Fleischbrühe wurde zum Teil in Gläser eingeweckt, mit der restlichen Brühe wurde am nächsten Tag Braunkohl gekocht.
Nach der mühsamen Arbeit setzte man sich abends zusammen. Bei frischem Mett mit Zwiebeln, Stieg (Wellfleisch), knusprigem Brot, heißer Brühe und viel Korn wurde bis spät in die Nacht hinein gefeiert.
[1]