Erste urkundliche Erwähnungen Frielingens

Unserer Auffassung nach ist eine Urkunde vom 10. April 1351 als älteste urkundliche Erwähnung des Dorfes anzusehen. Damit taucht unser Ort ausgerechnet in einer Zeit aus dem Dunkel der Geschichte auf, als die Pest Norddeutschland erreicht hatte und eine Wüstungsphase einleitete, in deren Folge zahlreiche Siedlungen wieder aufgegeben wurden. Bereits in dem 1985 erschienenen Buch „Frielingen – Ein Dorf erzählt“ hatten wir eine kurze Inhaltsangabe dieser Urkunde von 1351 veröffentlicht. Ein Pastor Fromme aus Hohenbostel hatte sie im Jahre 1885 gesichtet und einen Regest (= Auszug) davon veröffentlicht.[1]

Die Urkunde befand sich bis zum Aussterben der Familie von Campen zu Poggenhagen im Jahre 1793 in deren Eigentum, danach gehörte sie der auf dem Rittergut in Wichtringhausen bei Barsinghausen wohnenden freiherrlichen Familie Langwerth von Simmern. Seit einigen Jahrzehnten befindet sich das von Campensche Archiv in Eltville im Rheingau auf dem Weingut der Familie Langwerth von Simmern.

Experte forscht intensiv

Um den genauen Wortlaut der Urkunde und damit vielleicht weitere Details über den damaligen Zustand Frielingens zu erfahren, fuhr schließlich der Wunstorfer Historiker Dr. Dirk Neuber nach Eltville. Dort durchstöberte er stundenlang erfolglos den Archivraum des Gutes, in dem sich Akten und Urkunden verschiedener Jahrhunderte bis unter die Decke stapeln. Schließlich erinnerte sich die junge Baronin an mehrere auf dem Dachboden ihres Wohnhauses lagernde Holzkisten. Gemeinsam mit einem polnischen Erntehelfer wuchtete Dr. Neuber die oberste Kiste von dem Stapel, schraubte das sie schließende Eisenband auf und fand darin die von Campenschen Urkunden.

Vor der Veröffentlichung der Urkundeninhalte durch Pastor Fromme hatte der damalige Baron alle von Campenschen Urkunden im Staatsarchiv Hannover auf ihre Echtheit überprüfen lassen. Der Grund: Im Mittelalter wurden massenhaft Urkunden gefälscht, um die eigenen Interessen durchzusetzen. So fand sich in der Kiste in Eltville auch ein ganzer Stapel von entlarvten Fälschungen. Jedes der teilweise noch mit anhängenden Siegeln versehenen „echten“ Pergamentstücke vom Visitenkartenformat aufwärts war einzeln in Papier eingeschlagen und mit einer Nummer und der Jahreszahl versehen. So war es einfach, die beiden Frielingen betreffenden Urkunden herauszufinden und unter die Lupe zu nehmen.[2]

Erstmals 1351 „Vrilinghe“

Die Urkunde[3] mit der ersten Erwähnung Frielingens aus dem Jahre 1351 besteht aus einem unscheinbaren, eng beschriebenen Pergamentstreifen von 28,9 cm Breite und nur 4,5 cm Länge. Pergament ist gut zu beschreiben und sehr dauerhaft, aber auch sehr teuer, da es aus aufwändig gebeizten, enthaarten und geglätteten Häuten von Kälbern, Lämmern oder jungen Ziegen hergestellt wurde. Deshalb wurde sparsam mit dem Material umgegangen.

Die Urkunde ist in Niederdeutsch verfasst, das damals in weiten Teilen Norddeutschlands gesprochen wurde. Wir erfahren aus ihr Details über die Veräußerung eines Hofes „to Vrilinghe“, jedoch nichts Neues über den Hof oder gar das Dorf an sich. Dies verwundert auch nicht, denn es war lediglich ein Kaufvertrag, mit dem die von Campens ihren Besitzanspruch auf diesen Hof beweisen konnten – mehr nicht:

 

 Deme acbaren vorsten, mineme liven hern, van ghodes gnaden hertegen Erice van Sassen, en bede ek Hartbert van Mandeslo knecht, sone hern Hartbertes, enes ridderes, de nu to tiden wonet to der Nyenstad, minen ewighen denest. ek sende ju up, under dere betuginghe der ingheseele mines junchern greven Johannes van Wunstorpe, unde Diderikes Holtgreven, de ichteswanne hern Diderikes sone was, juwer twigher man, den Hof to Vrilinghe mit alme rechte unde slachter nut; unde bidde ju denestiken, dat gy hern Ludolve van Campen, enen riddere, unde sine rechte erven, mit my dar mede belenen willen en recht leen, mit alme rechte unde slachter nut. In ene vestinghe unde bewisinghe disser dingh henghe ek min ingheseel ok to voren to dissem breve. Anno Domini m. ccc li, in die Palmarum.

 

Knappe Hartbert von Mandelsloh, Sohn des zu Neustadt wohnenden Ritters Hartbert von Mandelsloh, veräußerte also am Palmsonntag (10. April) des Jahres 1351 den von Herzog Erich von Sachsen als Lehen erhaltenen Hof zu Frielingen mit allen dazugehörenden Nutzungsrechten an den Ritter Ludolf von Campen und seine Erben. Bezeugt wurde dies durch zwei Lehnsmänner des Herzogs, den Grafen Johann von Wunstorf und Diderich Holtgrewe.

 

Aus der Formulierung „den Hof“ kann nicht geschlossen werden, dass es zu dieser Zeit nur diesen einen Hof in Frielingen gab. Vielmehr ist anzunehmen, dass Hartbert von Mandelsloh nur diesen einen Hof in Frielingen besaß. Damit ist sicher, dass sich 1351 wenigstens ein Frielinger Hof in herzoglichem Eigentum befand. Freilich gehört Herzog Erich von Sachsen nicht zu der Linie aus dem Geschlecht der Welfen, die den späteren Landesherrn stellte, sondern zu  den Askaniern, die sich bald darauf im Lüneburger Erbfolgekrieg von 1369 bis 1385 nicht durchsetzen konnten. Die Askanier hatten 1106, als das alte sächsische Adelsgeschlecht der Billunger ausstarb, einen Teil von deren Besitz auch in unserem Raume geerbt.

Und 1357 noch ein halber Hof

Ludolf von Campen erwarb um die Mitte des 14. Jahrhunderts in großem Umfang Höfe und Ländereien beiderseits der Leine.[4] Nach einer zweiten Urkunde[5] aus dem von Campenschen Archiv kaufte er am Martinstag (11. November) 1357 zwar einen halben Hof im für uns weniger interessanten Poggenhagen, dafür war der Verkäufer die erste uns bekannte Persönlichkeit, die mit Sicherheit den Namen unseres Ortes trug: „Arnolt van Vrilinghe“, der Vogt von Schloss Ricklingen:

Ek Arnolt van Vrilinghe, Knecht, nu to tiden en voghet to Rickelinghe, bekenne an dissem openen breve under minem ingheseele, dat ek mit willen al miner erven habbe vorkoft under enen rechten kop an dissem breve vorkope deme vromen riddere, hern Ludolve van Campen unde sinen rechten erven enen halven hof to deme Pochenhaghen van twen stucke landes darsulves, unde al dat ek dar habbe, buten unde binnen, mit alme rechte unde slachter nut to erfeghene, nimber mer to besittende, unde hebbe an dit ghut up ghe laten vor minem lenheren, deme herteghen van Luneber, van deme ek dat to lene hadde, dat disse vorumde riddere dar mede belenet is en recht leen, unde scal on disses ghudes en recht warender wesen, wur unde wanne unde von dicke on des not is unde dat van my eschen, unde love an alle disse ding an truwen stede unde vast to holende. Actum meo sub sigillo anno Domini m. ccc. l. septimo, in die beati Martini episcopi.

 

1360 „To vrolinghe II huoe“

Drei Jahre später, im Jahre 1360, erfolgte eine weitere Nennung des Ortes, wieder im Zusammenhang mit einer Lehensübertragung. Es handelt sich um eine Urkunde aus dem Lehnsregister des Welfenherzogs Wilhelm von Lüneburg, in der er den Gebrüdern Martin und Diderich von Alten mehrere Hufen Land verlehnt.[6] Den von Alten werden als Teil eines größeren Gesamtlehens „To vrilinghe II houe“, also „zu Frielingen zwei Hufen“, Land als Lehen übertragen (eine Hufe entspricht 24 Morgen, rund 6,26 Hektar). Eine Hufe meinte damals die Ackerfläche und der Anteil der einzelnen Bauernfamilie an der Gemeindeflur, von der eine Bauernfamilie leben konnte. Eigentümer der beiden Hufen sind nach der Urkunde die Lüneburger Herzöge, denen es seit dem 13. Jahrhundert langsam, aber sicher gelang, aus dem ursprünglich nur vorhandenen Streubesitz eine Herrschaft über Land und Leute in einem geschlossenen Gebiet aufzubauen. Seit wann sie im Besitz der zwei genannten Hufen in Frielingen waren, ist urkundlich nicht gesichert. Möglicherweise gehörten sie zu den „Besitzungen über der Leine, wo das Kloster Marienwerder liegt“, das die Welfen 1333 von den Wunstorfer Grafen erhielten.[7] Doch sicher ist dies keineswegs, denn die einzelnen Besitzungen sind in der Urkunde nicht namentlich genannt. Im Gegenteil, sie können diesen Landbesitz ebenso wie die Askanier von den Billungern bekommen und ihn bereits seit 1106 besessen haben, gehörten sie doch ebenfalls zu deren Erben.

Aufgrund der Belehnungen, die in den beiden Urkunden benannt werden, steht fest, dass es zwischen 1351 und 1357 mindestens einen Hof und zwei Hufen (gleich zwei Höfe?) Land in Frielingen gab, die sich im Besitz von verschiedenen Herzögen befanden. Beide Herzöge sind bald darauf verstorben. Erich von Sachsen, der 1361 eine Reise in die hiesigen Lande unternahm, stürzte vom Pferd und starb in Nienburg an seinen Verletzungen. Wilhelm von Lüneburg ist 1369 verstorben. Sein Tod löste den Streit um die Nachfolge in der Herrschaft über das Herzogtum aus, den besagten Lüneburger Erbfolgekrieg.

Dass schließlich die Askanier 1389 ihre Besitzansprüche an die Welfen abtreten mussten, fand auch in der Urkunde von 1357 ihren Niederschlag: Nach heutiger Rechtsauffassung ist sie nachträglich „gefälscht“ worden! Auf dem Pergament ist mit einer scharfen Klinge ein Wort abrasiert und durch das Wort „Luneber“ ersetzt worden. Unschwer ist zu vermuten, dass dort ursprünglich „Sassen“ stand! Eine derartige Unbekümmertheit gegenüber einem urkundlichen Text war im Mittelalter durchaus nicht ungewöhnlich: Der „Fälscher“ handelte in der ehrlichen Überzeugung, dass es im Sinne des ursprünglichen Ausstellers der Urkunde sei, wenn der darin dokumentierte Rechtszustand durch den inzwischen tatsächlich erreichten berichtigt wurde.

Fazit

Falls der 1357 als Burgherr zu Schloss Ricklingen erwähnte Arnolt von Vrilinghe mit Arnold Vrilinch identisch ist, der 1360 mit dem halben Zehnten zu „Vrilinge“ belehnt wurde, kann eine weitere Urkunde des 14. Jahrhunderts auf unser Dorf bezogen werden. Auch diese Urkunde steht im Lüneburger Lehnsregister.[8] Sie wäre der Beweis dafür, dass die möglicherweise freie Stellung der Frielinger nicht immer auch identisch mit der Freiheit von der Zehntzahlung war, die offensichtlich jünger ist.

Obwohl die Erstbesiedlung des Ortes ganz sicher wesentlich früher stattfand, kann die Existenz Frielingens doch erst ab dem 10. April 1351 durch Urkunden belegt werden. Somit fiel am 10. April 2001 mit der 650. Wiederkehr dieses Ereignisses ein rundes Datum auch in unsere Epoche.

In Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts änderte sich die Schreibweise des Namens unserer Ortschaft gegenüber der von 1351: Festgestellt sind Frilingk, Frilingen, Frilingenn, Frielingenn und Frieling.

 


[1] Fromme: Regesten,  S. 286.

[2] Die Entdeckung der Urkunden stellt eine kleine Überraschung für uns dar, galt das von Campensche Archiv nach Besier u. a. doch bis heute als nicht mehr auffindbar. In: Bordenau – Geschichte und Struktur, Hildesheim 1989, S. 83.

[3] Archiv Langwerth von Simmern, Eltville, Bestand Familie v. Campen, Nr. 53, 10.4.1351.

[4] Eine Auflistung davon in Werner Besier (Hg.): Bordenau. Geschichte und Struktur, 889-1989, Hildesheim 1989, S. 78-80.

[5] Archiv Langwerth von Simmern, Eltville, Bestand Familie von Campen, Nr. 68, 11.11.1357, Pergament, 18,4 x 8,4 cm.

[6] Wilhelm von Hodenberg, Lehnsregister der Herzöge Otto und Wilhelm und der Herzöge Bernhard und Wilhelm im 14. und 15. Jahrhundert (im folgenden Text Lüneburger Lehnsregister genannt), 1856, Urkunde Nr. 469.

[7] Sudendorf, Band I S. 283.

[8] Lüneburger Lehnsregister, Urkunde Nr. 589.