Der Lehrer Rathe (um 1850)

 

Kurz nach Bezug des neuen Schulhauses begann Rathe den Unterricht. Es gab jedoch Probleme mit der Gemeinde, die das Konsistorium untersuchte. Rathe wurde vorgeworfen:

1. Namentlich sei er beschuldigt, durch Äußerungen über religiöse Gegenstände bei gesellschaftlichen Zusammenkünften Anstoß gegeben zu haben. So solle er gegen mehrere Personen geäußert haben, der Mensch könne sich auch nach seinem Tode noch bessern. Einem Mitgliede seiner Gemeinde habe er die Frage vorgelegt, wie er es vereinigen könne, wenn am Anfange des Katechismus gelehrt werde, Gott sei ein einiger Gott, am Ende des ersten Abschnittes aber die Dreieinigkeit Gottes gelehrt werde, eine Person könne nicht drey seyn, die Sache sey nicht richtig. Ferner die Lehre von unserer Erlösung durch Christum im 4. Abschnitt des Katechismus könne nicht richtig seyn, denn wie Christus uns erlöst haben könne, die wir erst fast 2000 Jahre später geboren werden; auch habe er einem Mitgliede seiner Gemeinde das Buch ‚Oswald der Greis’, einen Anfang des Elpizon (= griech. Hoffnung), zum Lesen gegeben.

2. Sodann habe er die Kinder durch Aufgaben zum Auswendiglernen über ihre Kräfte angestrengt und sie mit unpassenden, harten Strafen belegt, indem er sie wochenlang in der Schule habe stehen lassen, so dass einem Knaben von dem fortwährenden Stehen die Füße angeschwollen.

3. Er habe die Schulkinder im Übermaß zu häuslichen Arbeiten gebraucht, und von ihnen selbst während der Schulzeit Sand in solchen Mengen habe holen lassen, wie es für den Bedarf der Schulstube nicht erforderlich gewesen.

4. Bei Versetzungen der Schulkinder in eine andere Classe habe er sich Geld von ihnen geben lassen.

5. Er habe im Übermaß Ackerbau betrieben und selbst dabei Arbeiten verrichtet, die sich für ihn nicht geschickten.“[1]

Rathe wurde belehrt, dass er sichkünftig anders zu verhalten habe, um die Liebe der Kinder und das Vertrauen der Eltern zurück zu gewinnen. Andernfalls müsse er versetzt werden oder man sähe sich sogar genötigt,ihn ganz aus dem Dienst zu entfernen.

Es ist nicht klar, ob Rathe sich geändert hat. Er ist jedenfalls Ende 1854 mit der Familie nach Amerika ausgewandert. Seine Ehefrau war Catherine Dorothea Sophie Riekenberg aus Frielingen.

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(Christian Friedrich Sintenis (1750-1820), Oswald der Greis. Oder: Mein letzter Glaube, als Nachlass zugleich für meine Freunde, Leipzig 1813


[1] HStA Hann, Hannover 174 Neustadt Nr. 2074.